Nathaniel, Bewahrer der Koexistenz

Leseprobe

Auszug aus dem Prolog

Nathaniel, Bewahrer der Koexistenz

Katja Christ

Prolog

Mein Name ist Nathaniel, zumindest zurzeit. Zurzeit bedeutet für mich seit mehreren hundert Jahren und vielleicht noch weitere zwei Jahrhunderte, bevor der Name nicht mehr gebräuchlich ist. Ich bin ein Vampir, einer der ältesten Vampire, die jemals unter den Sternen wandelten. Fragen Sie mich nicht nach meinem genauen Alter. Das erachten Vampire, ähnlich wie Frauen, als unhöflich. Genügen Sie sich damit, zu wissen, dass ich Ende zwanzig war, in der Blüte meines Lebens stand, als ich zu dem wurde, was ich jetzt bin. Zu einem der ältesten Vampire – nicht der älteste, aber es gibt nur wenige Exemplare meiner Art, die bereits länger existieren als ich: die Mitglieder des „Kreises“. Meine lange Erfahrung gebietet es mir, ebenfalls im Kreis zu arbeiten, doch ich bevorzuge einen anderen Job. Ich sorge dafür, dass die Mehrheit der Menschen nicht an uns glaubt, uns für Figuren aus Gruselfilmen und Horrorromanen hält. Einige Vertreter meiner Art glauben, dass der Job meiner nicht würdig sei. Sie glauben, ich verrichte Drecksarbeit, die genauso gut andere für mich erledigen könnten. Doch da liegen sie falsch.

Nathaniel ist nicht mein erster Name und voraussichtlich auch nicht mein letzter, solange ich meinen Job gut mache. Und ich kann behaupten, dass ich ihn verdammt gut mache. Seit die Koexistenz vereinbart wurde, sorge ich dafür, dass wir für die Mehrheit der Menschen Mythos, reiner Aberglaube bleiben. Oft genug hat die Vergangenheit gezeigt, dass der Mensch vernichtet, was er fürchtet. Die weltweite Aufdeckung unserer realen Existenz würde eine Massenhysterie hervorrufen, die nicht nur einen Krieg, sondern die totale Vernichtung beider Spezies zur Folge hätte. Wir sind mächtig, aber wir haben unsere Schwächen. Der Mensch mit seinen Waffen, seiner Technologie ist mächtig, aber nicht mächtig genug, um uns gänzlich zu zerstören. Die große Jagd würde ausbrechen, auf beiden Seiten. Wir würden als Sieger aus der Jagd hervorgehen. Genug Menschen würden die Gabe der Unendlichkeit mit offenen Armen empfangen und ihre eigene Art verraten. So ist der Mensch. Doch mit dem letzten Menschen, der uns zum Opfer fällt oder der gewandelt würde, wäre auch unser Untergang eingeläutet.

Endzeitfantasien, die mich immer wieder in meiner Überzeugung stärken. Niemals hätten wir die Koexistenz eingehen dürfen. Wir hätten im Untergrund, im Dunkeln der Nacht unserer Existenz frönen sollen. Doch der Kreis entschied anders. Deshalb trat ich aus. Ich hatte damals im 18. Jahrhundert dafür plädiert, die Schuldigen zu eliminieren, die verantwortlichen Menschen nach unseren Bedürfnissen zu lenken, bis sich die Panik legt. Nicht zum ersten Mal hatten unvorsichtige Artgenossen Menschen auf uns aufmerksam gemacht. Immer wieder passiert es jungen Vampiren, dass sie durch die Gier getrieben zu unvorsichtig werden. So wie 1725 Peter Plogojovitz. Nur zehn Wochen hatte er nach seiner Wandlung gebraucht, um das gesamte Dorf Kisolova in Angst und Schrecken zu versetzen, immerhin derart, dass sogar der kaiserliche Amtmann des Distriktes Gradiska darüber informiert wurde. Die Reisen zu jener Zeit waren beschwerlich, vor allem für uns Vampire. Wie gesagt, wir sind mächtig, doch auch wir haben unsere Schwächen. Tageslicht ist eine davon. Und wir werden dagegen nicht immun. Als wir in Kisolova ankamen, war Peter Plogojovitz bereits gepfählt und verbrannt worden. Pfähle zur Hinrichtung, na ja, fraglich, aber Feuer funktioniert immer, hier sind Mensch und Vampir sich sehr ähnlich.

Weiter im Fall: ich stimmte dafür, den Schaden zu begrenzen, die Verantwortlichen zu manipulieren, dass sie das Volk beruhigten. Es wäre ein Leichtes gewesen, die Zeugen ausfindig zu machen und ihre Erinnerung zu lenken. Doch der Kreis entschied sehr zu meinem Unmut anders. Sie zogen eine Kooperation mit den Menschen in Betracht und beschlossen zu beobachten, wie sich die Lage entwickelte. Die Vampirpanik, die über Europa hereinbrach, schien mir in die Hände zu spielen, machte den Kreis skeptisch, ob eine Koexistenz mit dem Menschen überhaupt möglich war, und ich hoffte, meine Stimme würde endlich Gehör finden.

Leider stellte ich nur ein paar Jahre später fest, dass dem nicht so war. Wieder in Serbien erregte ein frischer Vampir 1732 die Aufmerksamkeit der Dorfbewohner. Ein Artgenosse hatte in einer unangenehmen Begegnung mit einem jungen Soldaten während der Nahrungsaufnahme bei diesem unabsichtlich die Weichen zur Wandlung gestellt. Der Kreis hatte ein Wandlungsverbot für osteuropäische Gegenden ausgesprochen, damit sich der Fall Plogojovitz nicht wiederholte. Aus Angst vor Bestrafung verschwieg der Vampir den Vorfall, so dass sich der Soldat nach einem Unfalltod tatsächlich in einen Vampir verwandelte. Ohne Führung, ohne Anleitung versetzte er sein Dorf in Angst und Schrecken, so dass man ihn nur vierzig Tage nach seinem Tod ausgrub und seinem Treiben ein Ende setzte. Leider interessierten sich die Behörden für diesen Fall, so dass Arnod Paole der bestdokumentierte Vampir aller Zeiten wurde.

Wieder war ich dafür, die verantwortlichen Führungspersonen nach unseren Vorstellungen zu manipulieren, doch der Kreis entschied erneut anders. Schon lange war eine Koexistenz in Erwägung gezogen worden. Die wissenschaftliche Betrachtungsweise, die Exhumierungen und Obduktionen angeblicher Vampire bewegten sie dazu, den entscheidenden Schritt zu tun. Sie traten in Verhandlungen mit den Menschen. Oberste Vertreter der Kirche, staatliche Oberhäupter und ausgewählte Wissenschaftlicher nahmen an den Verhandlungen teil, bis ein Vertrag ausgehandelt worden war, der beide Seiten zufrieden stellte.

Keine Morde an Menschen von unserer Seite, keine Jagd auf Vampire ihrerseits bringt es sehr oberflächlich gesehen auf den Punkt. Beide Seiten verpflichteten sich, Verstößen gegen den Vertrag auf den Grund zu gehen und die nötigen Konsequenzen zu ziehen. Viele geheime Treffen, Manipulationen, schriftliche Abhandlungen, kirchliche Verbote waren nötig, die Panik zu legen. Dann trat ich aus dem Kreis aus.

Seitdem kümmere ich mich darum, dass der Vertrag eingehalten wird – von beiden Seiten. Immer wieder kommt es vor, dass ein Vampir unvorsichtig wird. Ich kümmere mich darum, dass dies keine ernsthaften Folgen nach sich zieht. Immer wieder mal gibt es Vampire, die das Tötungsverbot ignorieren. Ich jage sie und ziehe sie aus dem Verkehr. Der Kreis entscheidet über ihre Bestrafung. Ich führe die Strafe aus. Das hat mir den Ruf eingehandelt, ein gnadenloser Henker zu sein, obwohl nicht jeder durch einen Vampir verursachte Tod eines Menschen mit Exekution bestraft wird. Aber ich werde gefürchtet. Angst verleiht Macht, Macht verleiht Respekt. Ein ewiger Kreislauf […]

Auszug aus dem 1. Kapitel

Nathaniel, Bewahrer der Koexistenz

Katja Christ

Kapitel 1: Die Tote in der Gasse

Genug der Erklärungen, lassen Sie mich mit der eigentlichen Erzählung beginnen. Wie ich bereits sagte, bin ich der Bewahrer der Koexistenz, was bedeutet, dass ich sehr eng mit den Menschen zusammenarbeite, in diesem Fall mit der Polizei. Ich gehöre einer Spezialeinheit an, die immer gerufen wird, wenn es zu ungewöhnlichen Todesfällen kommt; besser gesagt, ich bin die Spezialeinheit. Viele Polizisten kennen mich bereits, jedoch wissen nur wenige von meiner wahren Natur. Ich bin der seltsame Ermittler, der immer wieder an Tatorten erscheint, das Opfer und die Umgebung untersucht und dann wieder verschwindet. Der normale Beamte kennt mich nur von diesen kurzen Auftritten. Andere begleitete ich bereits mehrfach bei ihren Ermittlungen und unterstützte sie gegebenenfalls.

So kam es, dass ich auch an diesem Abend an eben einem solchen Tatort erschien. Die Spurensicherung war bereits im vollen Gange, als ich nach Sonnenuntergang in die abgelegene Gasse bog, in der das Opfer unter einer Decke versteckt lag. Nachdem ich, ohne aufgehalten zu werden, an den blau leuchtenden Streifenwagen vorbei ging, konnte ich bereits den alten Ermittler sehen, der an der Ecke zum besagten Tatort lehnte und mit seinem üblich verkniffenen Gesichtsausdruck eine Zigarette rauchte. Smith war sein Name, was mich jedes Mal grinsen ließ. Neben ihm stand eine junge Ermittlerin, der ich bisher noch nicht begegnet war. Sie redete, während der alte Ermittler, Sergeant Smith, nur nickte und brummte, dass ich die Vibration seiner Stimme fast spüren konnte.

Die Tote in der Gasse

„Diese Dinger werden sie umbringen, Smith!“, sagte ich amüsiert, als ich hinter ihnen zum Stehen kam. Ich konnte sehen, dass beide zusammenfuhren, da sie mich nicht hatten kommen hören. Ein Umstand, der mir nicht fremd war.

„Sergeant Smith“, verbesserte er mich und zog demonstrativ an der Zigarette.

„Wie auch immer“, erwiderte ich, wandte mich der jungen Frau zu, die mich überrascht anstarrte.

„Officer Taylor“, brummte der Sergeant, als er sie mit einer kurzen Kinnbewegung vorstellte. „Special Agent wie war gleich der Name?“

Ich lachte, denn ich wusste, dass es seine Rache für meine Ignoranz gegenüber seinem Rang war. Manchmal empfinde ich die Interaktion mit Menschen als amüsant. „O’Dell!“, stellte ich mich selbst vor und nickte ihr kurz zu, bevor sie ihre Hand ausstreckte. Es war nicht, wie es manche Vampirliteratur aufgreift, die Kälte meiner Hand, die Menschen grundsätzlich erstarren lässt, die mich so handeln ließ. Nachdem ich Blut getrunken habe, ist mein Körper gewöhnlich alles andere als eiskalt. Nein, vielmehr veranlassten mich die Handschuhe, die ich bereits übergestreift hatte, dazu, auf einen Händedruck zu verzichten.

„Was haben wir hier?“, fragte ich kurz, kniff die Augen zusammen und scannte die Umgebung nach untoten Spuren.

„Einen Mord“, murmelte Sergeant Smith. Ich war sicher, dass die junge Einsteigerin nicht bemerkte, dass ein Schmunzeln in seinen Mundwinkeln lag.

„Überraschung“, erwiderte ich. „Und wozu haben Sie mich angefordert?“

„Special Agent O’Dell, ich fordere Sie nicht an, Sie werden mir in solchen Fällen aufgedrückt.“

„Das tut mir leid“, erwiderte ich, doch sein hustendes Lachen ließ mich wissen, dass er verstand, dass mir dieser Umstand vollkommen egal war. Officer Taylor starrte mich immer noch an, ließ ihre Augen nur kurz zu ihrem alten Kollegen wandern. „Gefällt Ihnen, was Sie sehen?“, fragte ich daher, woraufhin unübersehbar Blut in ihre Wangen schoss und sie sich peinlich berührt abwandte.

„Baggern Sie nicht das Mädchen an, O’Dell, machen Sie lieber Ihre Arbeit! Ich habe keine Lust bis morgen früh hier zu stehen.“

„Ein Mord, also“, murmelte ich. „Da Sie mir offensichtlich die Überraschung nicht verderben wollen, werde ich selbst nachsehen, weshalb Sie mich anforderten.“

„Versauen Sie mir nur nicht den Tatort!“, rief er mir hinterher und sein tiefes, hustendes Lachen verfolgte mich, als ich die schmale Gasse betrat und mich langsam dem zugedeckten Opfer näherte. Die Leute der Spurensicherung kannten meine Auftritte während ihrer Arbeit und ignorierten mich. Noch nie hatte ich ihnen einen Tatort versaut, um es mit Sergeant Smiths Worten zu sagen. Und das würde auch niemals passieren. Vielmehr sorgte ich mich, dass sie bereits meinen Tatort verunreinigt hatten. Ich würde mir die Fotos später ansehen und mit meinen Eindrücken vergleichen müssen. Der Gerichtsmediziner vor Ort warf mir einen kurzen Blick zu, deckte die Leiche auf und trat wortlos zurück. Ich betrachtete sie eindringlich. Es war eine junge Frau, vielleicht Mitte zwanzig, die vor mir auf dem Bauch lag. Ihr Kopf schien ungewöhnlich positioniert, was daran liegen konnte, dass ihr Genick gebrochen war. Ihr platinblond gefärbtes Haar roch noch immer nach Blondierungsmitteln. Orangeroter Lippenstift auf ihren vollen Lippen, zu starker Lidschatten und zu viel Makeup zeugten davon, dass jemand eher Quantität, statt Qualität zu schätzen schien. Ihre Kleidung bestand aus einem kleinen Schwarzen. Der hohe Polyesteranteil – nämlich hundert Prozent – bestätigte das fehlende Geschick oder Geld für Qualität.

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Nathaniel, Bewahrer der Koexistenz

Ein Vampir - ein Cop - ein Mörder

Katja Christ

„Ich war zu Anfang skeptisch, aber dieses Buch ist extrem fesselnd.“

„Super spannende Vampirstory - einfach grandios“

„Spannend, fesselnd also alles was ein gutes Buch ausmacht“

„Ich bin was solche Bücher angeht sehr kritisch. Aber was ich hier lesen durfte hat mir von Anfang bis Ende super gefallen.

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